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Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm befasste sich in seinem Urteil vom 19.03.2018 (Az. 3 U 63/15) mit der Frage, welche Pflichten ein niedergelassener Frauenarzt bei der Auswertung eines CTG bei einer Schwangeren hat,
wenn es außerhalb der Mutterschafts-Richtlinien geschrieben wird. Im vorliegenden Fall gab das zusätzlich abgeleitete CTG deutliche Hinweise auf einen krankhaften Zustand des ungeborenen Kindes. Der Arzt nahm das CTG jedoch nicht sofort zur Kenntnis, sondern erst mit deutlicher Verspätung.
CTG muss sofort ausgewertet werden
CTG Sonogramm
Das OLG sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 € zu und begründete sein, von einem erfahrenen Sachverständigen gestütztes Urteil damit, dass ein zusätzlich geschriebenes CTG den behandelnden Frauenarzt nicht davon entbindet, es unverzüglich auszuwerten und daraus die richtigen Behandlungsschritte abzuleiten. Zeigt sich ein krankhafter Befund, muss darauf so reagiert werden, wie es die Mutterschafts-Richtlinien vorsehen.
Als fehlerhaft erachtete das OLG Hamm außerdem, dass der Arzt keine organisatorischen Vorkehrungen traf, die sicherstellten, dass ihm die CTG-Streifen umgehend zur Überprüfung vorgelegt wurden.
Der Arzt verstieß darüber hinaus gegen weitere Regeln. Nach der Auswertung des CTG, das ein sehr hohes Risiko für das ungeborene Kind bestätigte, hätte er die Mutter notfallmäßig in das nächstgelegene Krankenhaus einweisen müssen. Stattdessen ließ er sie zuerst noch nach Hause und erst danach in das weiter entfernt gelegene Perinatalzentrum fahren. Zudem informierte er die Mutter völlig unzureichend über die Dringlichkeit der Situation.
Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass das Verhalten des niedergelassenen Frauenarztes unter Berücksichtigung des gesamten Behandlungsgeschehens als grober Verstoß gegen den Facharztstandard und somit als grober Behandlungsfehler zu bewerten war. Dies führte zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des klagenden Kindes.
Behandlungsfehler mitursächlich für schweren Hirnschaden
Die Behandlungsfehler des beklagten Arztes waren nach der Überzeugung des OLG für den nach der Geburt festgestellten schweren Hirnschaden des Kindes zumindest mitursächlich. Aufgrund der im Laufe des Verfahrens getroffenen Feststellungen wurde der Arzt zur Zahlung von Schmerzensgeld und weiterem Schadenersatz verurteilt.
Arzt haftet nicht nur für den Hirnschaden
Der Arzt bzw. dessen Haftpflichtversicherer hat nicht nur für die erste, durch den Behandlungsfehler eingetretene Gesundheitsschädigung in Form eines Hirnschadens Schadenersatz und Schmerzensgeld zu zahlen, sondern darüber hinaus auch für die sich aus diesem ersten Gesundheitsschaden entwickelnden weiteren Gesundheitsschäden und deren finanzielle Folgen.
Grundlagen für die Bemessung von Schmerzensgeldern
Bei der Bemessung von Schmerzensgeldern bei Geburtsschäden wird unterschieden zwischen schwersten Gesundheitsschäden, die eine weitestgehende Zerstörung der Persönlichkeit des Kindes zur Folge haben und Gesundheitsschäden, bei denen das Kind, wenn auch nur eingeschränkt, zumindest am Leben teilnehmen kann. Bei den ersteren sprechen die meisten Gerichte Schmerzensgelder in Höhe von 500.000 € und mehr zu. In den letztgenannten Fällen werden in der Regel Schmerzensgelder im unteren sechsstelligen Bereich ausgeurteilt.
Infolge einer Gesamtwürdigung der beim Kläger eingetretenen Gesundheitsschäden kam der Senat zu der Überzeugung, dass dem Kläger nicht die von ihm geforderten 500.000,00 €, sondern 400.000,00 € als Schmerzensgeld zuzusprechen waren.
Im Rahmen der Begründung stützte sich der Senat darauf, dass schwerste Beeinträchtigungen in Form einer völligen Zerstörung der Persönlichkeit bei dem jungen Kläger nicht vorliegen. Er besucht eine Förderschule, wenn auch mit Hilfestellung. Er kann selbst essen und muss nicht über eine Magensonde ernährt werden. Zudem ist er in der Lage, mit Hilfe von Orthesen zu laufen und mit Hilfe von Hörgeräten zu hören, er kann sehen und somit zumindest eingeschränkt am Leben teilnehmen.
Vergleicht man das Urteil des OLG Hamm mit anderen Urteilen ähnlicher Fallgestaltung, so hat der Senat dem jungen Kläger erfreulicherweise mehr Schmerzensgeld zugesprochen, als dies in vergleichbaren Fällen, selbst beim gleichen OLG, bisher festzustellen war.
Medien berichten oft nur über Schmerzensgelder
In den Meldungen über Geburtsschäden berichten Medien meist nur über die Höhe des Schmerzensgelds. Die weiteren Schadenspositionen, die für sich genommen in den meisten Geburtsschadensfällen weit über das Schmerzensgeld hinausgehen, bleiben unberücksichtigt.
Schadensersatz und schmerzengeld
Dabei ist die Verhandlung eines Geburtsschadensfalls weitaus vielschichtiger als dies auf den ersten Blick erscheint. Das Ausurteilen eines Schmerzensgeldes im Rahmen eines Geburtsschadensprozesses bildet meist erst den Beginn der Feststellung der weiteren, dem Kind zustehenden Schadensersatzansprüche.
Es bedarf daher einer intensiven Befassung mit den durch den Geburtsschaden erlittenen Gesundheitsschäden des Kindes, mit seiner weiteren Entwicklung und vor allem auch der Prognose, die die Ärzte im Verlauf der Behandlung abgeben. Auf der Basis dieser und weiterer Informationen ist zu prüfen, welche Schadenspositionen jeweils in Betracht kommen und vor allem, in welcher Höhe sie bestehen und wie lange sie vom Haftpflichtversicherer des Arztes oder der Hebamme zu zahlen sind.
Mutterschafts-Richtlinien verbindlich für Arzt
Da sich auch dieser Fall beim OLG Hamm mit den Mutterschafts-Richtlinien befasste, möchte ich kurz erläutern, was es mit den Richtlinien auf sich hat und welche Rolle sie im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge spielen:
Die Mutterschafts-Richtlinien, die vom gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen herausgegeben werden, begleiten den behandelnden Gynäkologen und die Schwangere während der gesamten Schwangerschaft und regeln auch die ärztliche Betreuung nach der Entbindung. Die Mutterschafts-Richtlinien haben für den Arzt bindenden Charakter, was im Rahmen eines Geburtsschadensprozesses mitunter zu wenig beachtet wird.
Wie der Bundesgerichtshof unter anderem in seinem Beschluss vom 08.01.2008 (VI ZR 161/07) bestätigte, haben Mutterschafts-Richtlinien Rechtsnormqualität. Das unterscheidet sie von den übrigen ärztlichen Leitlinien.
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