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In den letzten Jahrzehnten ist in der Rechtsprechung die Tendenz zu beobachten, deutlich höhere Schmerzensgelder für Schwerstverletzte auszuurteilen, als dies früher der Fall war.
Bis 1992 wurden Schwerstgeschädigte, deren Schädigung mit einer Zerstörung bzw. schweren Beeinträchtigung der Persönlichkeit verbunden war, mit ganz geringfügigen bzw. symbolischen Schmerzensgeldern bedacht. Damals ging die obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass der Geschädigte aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht in der Lage sei, die durch das Schmerzensgeld beabsichtigte Genugtuung zu empfinden.
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 13.10.1992 (Az.: VI ZR 201/91) führte zu einer Kehrtwende. Der BGH hatte damals den Fall eines wegen einer fehlerhaften Geburtseinleitung schwerstgeschädigten Kindes zu beraten. Er stützte die Argumentation darauf, dass schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen mit Blick auf Art. 1 Grundgesetz eine wesentlich stärkere Gewichtung verlangten und sich deshalb eine lediglich symbolhafte Bemessung des Schmerzensgeldes verbiete. Besteht die Beeinträchtigung gerade in der Zerstörung der Persönlichkeit, so Frau Dr. Gerda Müller (Vizepräsidentin des BGH a.D.), so ist auch dies ein Bestandteil des immateriellen Schadens, also des Schmerzensgeldes, und deshalb bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung der symbolhaften Schmerzensgeldbeträge wurde damit weitgehend fallengelassen.
Das Urteil des Landgerichts (LG) Aachen vom 30.11.2011 (Az. 11 O 478/09) ist eine konsequente Weiterführung der obergerichtlichen Rechtsprechung. Das Landgericht sprach einem Kind aufgrund eines schweren ärztlichen Behandlungsfehlers ein Schmerzensgeld in Höhe von 700.000,00 € zu. Die Ärzte erkannten eine tuberkulöse Meningitis zunächst nicht. Hierdurch erlitt das Kind eine schwere Gehirnschädigung und ist seither schwerst körperlich und geistig behindert. Eine solch hohe Schmerzensgeldsumme konnten wir im Rahmen eines vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main im Mai 2014 geschlossenen Vergleiches für einen unserer Mandanten ebenfalls erreichen. Schmerzensgelder in dieser Höhe sind in Deutschland allerdings nach wie vor sehr selten.
Das damals zweieinhalb Jahre alte Kind wurde von seinen Eltern mit Durchfall, Erbrechen und Fieber in der beklagten Kinderklinik aufgenommen. Bei der Aufnahme des kleinen Patienten unterlief den Ärzten der erste Fehler. Sie befragten die Eltern nicht nach Infektionskrankheiten und Ansteckungsmöglichkeiten. Die Ärzte wussten zudem, dass das Kind türkischer Abstammung ist. Sie hätten in Kenntnis dessen bei den Eltern nach Tuberkulose-Erkrankungen in der Familie fragen müssen, da solche Erkrankungen in dieser Bevölkerungsgruppe häufiger vorkommen als in anderen.
Es vergingen 5 Tage, bevor die erforderlichen Untersuchungen durchgeführt wurden, die die Ärzte zur richtigen Diagnose führten. Zu diesem erheblichen Fehler trat ein weiterer schwerwiegender hinzu. Obwohl die Ärzte die zutreffende Diagnose kannten, wurden keine geeigneten Behandlungsmaßnahmen eingeleitet. Gleich in mehrfacher Hinsicht wurde wertvolle Zeit vergeudet, wodurch es zu dem schweren Hirnschaden kam, mit der Folge lebenslanger geistiger und körperlicher Behinderung.
Der Gerichtssachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen der Ärzte sowohl gegen den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Facharztstandard verstießen als auch gegen die bewährten ärztlichen Behandlungsregeln. Juristisch betrachtet war das Vorgehen der Ärzte als grober Behandlungsfehler zu bewerten.
Eine so deutliche Einschätzung eines medizinischen Gerichtssachverständigen findet man selten. Dies ist aber auch ein Beleg dafür, wie gravierend die Behandlungsfehler waren. Der Sachverständige kam auch zu dem Ergebnis, dass der eingetretene Gesundheitsschaden entweder ganz oder zu einem Teil hätte verhindert werden können, wäre früher mit der geeigneten Therapie begonnen worden. Diese Einschätzung des Gerichtssachverständigen genügt, um der Klinik die volle Verantwortung nicht nur für den Behandlungsfehler zu übertragen, sondern auch für den eingetretenen Gesundheitsschaden in seiner ganz konkreten Form.
Das Landgericht schloss sich der Bewertung des Gerichtssachverständigen an und bezog sich zur Begründung des Schmerzensgeldes in Höhe von 700.000,00 € auf den schwerwiegenden geistigen und körperlichen Gesundheitsschaden des Klägers. Die Richter stellten fest, dass der junge Kläger Zeit seines Lebens auf dem Entwicklungsstand eines 3-4 Monate alten Kindes verbleiben wird, und in allen Lebenslagen gepflegt werden muss. Ferner berücksichtigte das Gericht, dass sich der Kläger in regelmäßigen Abständen weiteren stationären Behandlungsmaßnahmen und operativen Eingriffen unterziehen muss. Auch das diesen Behandlungen anhaftende Risiko wirkte sich bei der Höhe des Schmerzensgeldes aus. Das Schmerzensgeld orientiert sich nicht nur an dem aktuellen Leid des Klägers, sondern auch daran, dass ihm die normale Entwicklung, auch seiner Persönlichkeit, verwehrt bleiben wird.
Außerdem wertete das LG Aachen das zögerliche Regulierungsverhalten des hinter der Klinik stehenden Haftpflichtversicherers als schmerzensgelderhöhend.
Trotz der positiven Entwicklung bei der Beurteilung des Schmerzensgeldes ist davor zu warnen, pauschal Schmerzensgeldhöhen für bestimmte Krankheitsbilder festsetzen zu wollen. Entscheidend ist immer der Einzelfall, denn jedes Schicksal ist anders und damit auch individuell zu bewerten. Daher verbietet sich eine stumpfe und checklistenartige Anwendung von sogenannten Schmerzensgeldtabellen.
Iren Scholz, Rechtsanwältin Fachanwältin für Medizinrecht
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